chroey.com
reisekalender
buch juli&august
buch september
september  1
september  2
september  3
september  4
september  5
september  6
september  7
september  8
september  9
september 10
september 11
september 12
september 13
september 14
september 15
september 16
september 17
september 18
september 19
september 20
september 21
september 22
september 23
september 24
september 25
september 26
september 27
september 28
september 29
september 30
danach & davor
sponsoren
kontakt
 


Bourg St. Pierre - Col du Grand St. Bernard
gefahrene Kilometer: 5 km
Wetter: wolkenlos, später auf dem Pass Nebel,5°
Höhenmeter: ca. 800


Der Handywecker läutete um 8.00 Uhr. Unser "Haus St. Pierre" - eine Unterkunft für Wandergruppen im rustikalen Stil, dicken, holzvertäfelten Wänden und gemütlichen Mehrbettzimmern - besaß auch eine große Küche mit Esstischen, an denen wir zusammen mit Blick auf den Berg frühstückten. Heinz hatte schon hierfür eingekauft und im Gegensatz zum Abend fehlte heute zwar keine Butter. Draußen beobachteten wir derweil Mountainbiker, die auf dem Pfad fuhren, dessen Markierung wir beim Aufstieg am Vortag entdeckt hatten. Gut unterhalten und gestärkt war es mein Plan für heute, den Bus auf den Pass fahren und dort eine Unterkunft reservieren zu lassen. Wir Männer wären meiner Vorstellung nach inzwischen auf vielleicht nicht so guten, aber für mich dennoch befahrbaren Wegen weit in den Berg gestiegen. Ich beabsichtigte, an einem Stausee und fernab der neuen Pass-Straße auf Wanderwegen zur alten, weniger befahrenen Straße oberhalb des St.-Bernhard-Tunnels zu gelangen. Die Auskünfte verschiedener Einheimischen zu diesem Weg waren nicht eindeutig, so dass meine Hoffnung überwog, diese Engstelle trotz Rollstuhl zu überwinden.

Heinz und ich liefen also los, und der Weg erwies sich anfangs zwar als schwierig, aber absolut befahrbar. Wir gingen etwa zwei Kilometer weit und der Staumauer entgegen. Wir liefen noch recht niedrig auf die Mauer zu, aber erkannten einen Weg, der serpentinenartig auf das Niveau des Stausees zu führen schien. Mit einigem Unwohlsein hörte ich zunächst (und später sah ich auch) eine riesige Kuhherde, die auf und neben dem Weg graste und käute. Ich teilte Heinz meine Bedenken mit, doch der meinte, dass eine Durchquerung einer solchen Herde kein Problem darstellte. Tatsächlich öffnete er dann auch das für Wanderer offensichtlich freigegebene Tor zur Weide und unserem einzigen Weg. Ich hatte mich mit meinem ausgezogenen Kamerastativ bewaffnet und mir die Sonnenbrille aufgezogen, um die Jungkühe mit meinen scheuen Blicken nicht aufzuregen oder gar wildzumachen. In meinem Rollstuhl und ganz und gar auf Heinz auf dieser steilen und steinigen Straße angewiesen, hatte ich tatsächlich Schiss. Da half auch nicht, dass die Tiere treudoof und neugierig guckten; allein ihre Masse und meine Unbeweglichkeit reichten für ein bisschen Aufregung. Ich hatte allerdings noch die Muße, zwischen den Spalier stehenden Rindern über mein Gottvertrauen nachzudenken, was mich ein wenig beruhigte und mir ermöglichte, aus der Hüfte zwei Fotos zu schießen. Danach wurde es leider noch etwas dramatischer, denn durch den unebenen Weg verkrampfte ich plötzlich so sehr, dass ich nach vorne zum Stuhl herausrutschte. Heinz hatte danach alle Mühe, mich zurück auf den Sitz zu ziehen. Ohne Kissen durchquerten wir dann den Rest der Herde. Nach der letzten Kuh hatten wir dann wieder die Ruhe, den Versuch zu starten, mir das Sitzkissen unterzuschieben. Alleine schafften wir es trotz aller Anstrengung nicht. Von dem oberen Ende der Staumauer her kamen uns die ersten Wanderer für heute entgegen. Eine Mutter mit ihren Kindern half uns, mich auf die Straße zu legen und dann in den gerichteten Stuhl zu bugsieren. Nachdem sie uns dann noch erzählte, dass es oben auf gar keinen Fall für mich weitergehen würde, stiegen wir zusammen und durch die z.T. raufende Herde zurück bis vor das Gatter.

Körperlich von dieser Sackasse überwältigt, nahmen dann auch Heinz und ich den Rückmarsch nach Bourg St. Pierre auf. Ich vergewisserte mich noch einmal, dass der Weg durch die Galerie der neuen Pass-Straße ist, und wir liefen bergab zum nächsten Souvenirshop, um nach einem Bus passaufwärts zu fragen. Es war nun 16.00 Uhr und ab 14.00 Uhr fährt kein solcher Bus mehr. Heinz stellte sich schon darauf ein, an der Straße den Daumen zu heben, als der junge portugiesische Souvenirverkäufer, der vorher nur dabeigestanden hatte, zu uns herauskam, und ganz schüchtern fragte, ob er uns mit seinem Wagen den Pass hinaufbringen könne. Ich konnte eine so unerwartet einfache Lösung unseres Aufstiegsproblems kaum glauben, nahm die Hilfe aber sehr gerne an. Es ist erstaunlich und immer wieder neu, welche Hilfe und welcher Einsatz von Fremden für mich während dieser Reise erbracht wird; das ist Bereicherung und Erfahrung!

Nachdem ich unorthodox in Sergios Kombi eingestiegen war, chauffierte er uns durch die Galerie und kurzem Tunnel bis zur Abzweigung der alten Pass-Straße, auf die wir abbogen. Schweren Herzens fuhren wir somit die Straße hinauf, die ich eigentlich selbst hatte ersteigen wollen. Ich tröstete mich ein wenig damit, dass ich aus dem Auto heraus niemals so viele Eindrücke von der Umgebung aufnehmen könnte, dass eine Wiederholung des Aufstiegs nur Bekanntes entdecken ließe. Außerdem war ich bei nachlassender Sonnenstrahlung durchgefroren und durch die Kuhherden-Begegnung erschöpft, so dass ich mich auf eine warme Gaststube und einen heißen Kaffee freute. Oben angekommen und aus dem Auto gehievt, bedankte ich mich noch einmal bei Sergio, der darauf bestand, für seine Hilfe kein Geld entgegen zu nehmen; er sagte nur mit einem Lächeln und in seinem akzentreichen Englisch: "We Portugese and Swiss are good people." Das kann ich nur bestätigen.

Wir tranken also unseren wohlverdienten Kaffee und unternahmen noch einen kurzen Erholspaziergang über einen Abschnitt des sog. Napoleonweges, bis die Wolken anfingen, das kleine Passplateau zu vernebeln. Nach dem Abendessen nahmen wir noch an einer Messe im gegenüber liegenden Hospiz teil. Ich genoss die Liturgie und die Gesänge und verstand im Nachhinein die Predigt als einen Appell, das Christsein nicht nur zu studieren,sondern vor allem zu leben. Zu meiner Situation passt diese vortrefflich: ich bin mir zwar nicht sicher, ob ich das, was ich vom Christsein verstanden habe, so lebe, wie es gemeint ist, doch lese und studiere ich z.Zt. wenig und die Gemeinde, die mich auch in der Lehre weiterbringt, fehlt mir.

Von der Kapelle aus ging es den kurzen und kalten Weg zurück durch die zerrissenen Wolken zum Hotel. Licht aus um 23.00 Uhr.














020914180731_2320_St._Bernard_Passhoehe.JPG





Top