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Herxheim  -  Rastatt-Wintersdorf
29 gefahrene Kilometer
bewölkt bis leicht bewölkt, 25 Grad

Sind nach einiger Vorbereitung und, nach drei erholsamen Übernachtungen bei Familie Roth, kurz vor Mittag aufgebrochen. Anneliese war aus Rauenberg angereist und begleitete mich zu Fuß, während Katrin auf dem Fahrrad orteweise vorausfuhr, um sich dann von uns einholen zu lassen; meine Eltern versetzten später meinem Wagen an uns vorbei zum Ziel.

So wertvoll, wie die gesellige Zeit an einem Ort an den letzten Tagen war und so dankbar ich Käthchen und Hans Roth und ihrer Hilfe Eva für diese erste echte Verschnaufpause dieser Reise war, so froh war ich nach unserem Abschied, wieder auf der Straße zu sein! Folgerichtig flogen die ersten Kilometer heute auch nur so an mir vorbei, und wir waren schnell an der Bahnstation im übernächsten Ort, Rülzheim. Die Karten und Zugfahrpläne, die wir am Morgen gelesen hatten, waren nicht einer Meinung, was die möglichen Zugstrecken Richtung Elsaß anging; die Karten zeigten schwarze Verbindungen über die Grenze hinweg, die Pläne führten nur Züge in Richtung Karlsruhe auf. Es bestand auch die Option, erst mit dem Zug und dann über die Grenze nahe mit dem Bus zu fahren. Wo wir dann von Frankreich nach Deutschland den Rhein überqueren könnten, stand auch nicht fest. Schließlich stiegen wir an diesem verschlafenen Bahnhof in einen dieselgetriebenen Nahverkehrszug nach Karsruhe ein, um ein paar Orte weiter an dessen Endstation in Wörth auszusteigen und dort über den Serviceweg der Bahnhofsgleise "Festland" zu ereichen - manche Bahnsteige sind für Rollstuhlfahrer regelrechte Inseln. Wir einigten uns zu dritt auf einen Weg bis Berg, und Katrin fuhr wieder voraus, sie wollte zum Rhein und sich dort ausruhen. Ich schaute auf meinen Kilometerzähler, dessen Modell die Neuhoff-Söhne in Köln sofort erkannt hatten, und setzte ihn für die heutige Tagestour zurück; wir schätzten die bis hierher selbst gefahrene Strecke auf gut sechs Kilometer.

Es ging über die Gleise der Bahn hinweg und wir streiften Maximiliansau - der Ort, in dem ich geboren wurde - stadtauswärts. Nach einer kurzen Rast mit Annelieses köstlichem Gewürzkuchen, ging es zielstrebig weiter. Nur einmal, hinter Hagenbach, fuhren wir in eine Sackgasse, als wir merkten, dass es weder an der Bundesstrasse noch quer durch den Wald für mich weiter führte. Wir fuhren einen Kilometer zurück und fanden einen Weg, der wunderbar asphaltiert durch den Wald Richtung Berg verlief. Mittendrin fanden wir in einem Feuchtgebiet eine Tafel mit Wanderkarte, von der die für uns interessanten Stellen jedoch herausgekratzt waren. Glücklicherweise kam in dem Moment, als uns zwei Düsenjäger überflogen, die Sonne wieder heraus und schien durch das dichte Laubwerk, so dass wir zumindest bestimmen konnten, ob unsere Marschrichtung im Groben stimmte. Ich erinnerte mich dann an den GPS-Empfänger, den ich leihweise bei mir im Rucksack mittrug, und der zeigte mir nach Einschalten die genaue Position mit den umliegenden Orten an, bevor er wegen leerer Akkus die Anzeige aufgab. Wenn ich dieses Gerät ohne die Schwierigkeiten der Bedienung und der Stromversorgung häufiger benutzen könnte, würde dann das Marschieren an Romantik verlieren, da weniger Zufälle möglich sind? Ich hörte ja schon von Leuten, die ein Leitsystem im Auto verwenden, dass sie den Weg vom Start zum Ziel gar nicht mehr wahrnehmen, weil sie nur noch auf die Ansagen achten! Die Frage der Annahme von technischen Hilfen stellt sich mir des öfteren, nicht nur bei diesem Gerät. Doch dann dürfte ich wohl auch keine Strassenkarten zu Rate ziehen, oder? Mein vorläufiges Urteil ist, dass ich das Navigationssystem bei wesentlich vereinfachter Handhabung häufiger in Anspruch nähme, ich ließe mir den Weg aber - im wörtlichen Sinne - nicht davon diktieren lassen.

Als wir nach einer Stunde wieder aus dem Wald heraustraten, schien die Sonne und wärmte mich nach der Fahrt im feuchten Schatten der Bäume auf. Katrin war inzwischen wieder zu uns gestoßen und wir fuhren gemeinsam weiter bis nach Lauterbourg, wo ich erstmals in meinem Leben französischen Boden betrat. Die Grenze war allerdings so unscheinbar, dass ich sie erst erkannte, als ich schon drüber war. Schönes Europa! Als ich so zurückblickte, fielen mir zwei Autos ins Auge, die mir bekannt vorkamen: meine Eltern fuhren just in diesem Augenblick mit eigenem und meinem Wagen an uns vorbei. Sie erkannten uns ebenfalls, hielten in diesem für mich historischen Moment kurz an, um dann mit Katrin nach Wintersdorf weiter zu fahren.

Anneliese und ich fuhren durch die schöne Stadt Lauterbourg und dann auf grün markierten Radwegen durch das Gewerbegebiet und einen großen Kreisverkehr hinaus. Hier lernte ich gleich, das Kiesgrube, wörtlich aus dem Französischen übersetzt, "Ausbeutungsgebiet" bedeutet. Wir schlugen uns über die Industriestrasse zum Hochwasser führenden Rhein durch, wo wir so gerade die Uferstrasse trocken benutzen konnten. Nach einer Toilettenpause auf einem verlassenen Kinderspielplatz mit hoher Hecke darum, machten Anneliese und ich eine längere Pause auf einer Bank direkt am Wasser; es gab wieder Gewürzkuchen und dazu Renekloden. Der Rhein bot einen beruhigende Sicht: viel glattes Wasser, einige Lastschiffe, diestromabvwärts mitschwammen, gegenüber am deutschen Ufer Schwäne, die das neue Hochwasserufer studierten und über allem blauweißer Himmel. Wir brachen nach einer halben Stunde wieder auf und suchten den Deichweg am Rhein, der zur europäischen Rad-Rheinroute gehört. Wir fanden den Weg bald, der gut recht beschildert ist, aber zu meiner Verwunderung häufig durch große Kiesereianlagen führt, woran wir uns jedoch gewöhnten. Wir fuhren zwei Stunden auf dem asphaltierten Deichweg, bevor wir aus zeitgründen abbogen, um nach einer Bahnverbindung Richtung Seltz zu suchen.

So kamen wir in das kleine Dorf Munchhausen. Hier trafen wir gleich am Ortseingang auf einen kleinen Mann, ich schätzte ihn auf etwa einmeterfünzig, der uns zwar nicht seinen Namen verriet, so aber, dass er bald Adoptivvater werde und der uns den Weg zu einer Bushaltestelle wies. Im Ort, der sehr schmale, verwinkelte  Strassen und im Verhältnis noch schmalere Bürgersteige hatte, bewunderten wir die kleinen und großen Fachwerkhäuser, mal gut und farbig, mal schlecht und grau im Zustand. Nur wenige Menschen waren zu sehen. Ein junge mit einer Schaar Gänse ging uns voraus, die kurvige Dorfstrasse führte bergauf und uns klang das Läuten der Kirchturmglocken entgegen. Eine junge Mutter mit einer Spindel im Arm lief vor uns über den Weg und verlor Stroh aus ihren Haaren, das in einer Wolke von Goldstaub auf die Strasse fiel. An der Kirche angekommen, bestaunten wir den Turm, aus dem die Glockenklänge tönten und aus dessen länglichen Fenstern ein dickes Rohr ragte, auf dessen offenen Ende ein schneuzbärtiger Mann in einer Art Napoleon-Kostüm saß, der mit einem Knall quer über den Ort Richtung untergehender Sonne schoss, wo wir ihn durch die Blendung aus den Augen verloren. Fast wie im Märchen, hier in Munchhausen!

Da wir zwar zwei mal einen unmarkierten Reisebus mit einem schmucken Fahrer und einer jungen Frau vorne daneben durch den Ort fahren sahen, erkannten wir an den Haltestellen keinen Fahrplan. So liefen wir eben bis zum Ortsausgang und zur dortigen Bahnstation. Diese Station lag in einem Graben, und Anneliese stieg hinunter und las den Fahrplan. Heute fuhr kein Zug mehr nach Seltz. Das bestätigte uns auch ein älterer Herr, der mir zwar verneint hatte, dass er Deutsch spricht, dann aber mit Anneliese in gut verständlichem elsässischen Dialekt den öffentlichen Nahverkehr erklärte. Wir riefen deshalb Katrin auf der deutschen Seite an und baten sie uns abzuholen. Sie sagte, sie würde eine halbe Stunde brauchen, und so blieb uns nichts anderes, als uns den Sonnenuntergang zu beobachten - glaubten wir. Anneliese legte sich auf die Bank in dem neuen Blockhütten-Buswartehäuschen und schloss zur Erholung die Augen. Das Häuschen stand an einem Parkplatz, der wohl für den Friedhof nebenan gedacht war. Neben der Bushütte stand eine Telefonzelle. Wir beobachteten zu unserem Vergnügen, dass in unserer Wartezeit vier Autos auf dem kleinen Parkplatz anhielten, ein bis zwei Männer ausstiegen, in die Telefonzelle stiegen und meist lautstark telefonierten. Einer ließ während seines fünfminütigen Geprächs den Motor seines Wagens laufen, ein anderer fing nach dem Telefonat damit an, sein Auto von Müll zu befreien; zwei Handwerker waren dabei, die sich zuzweit an den Hörer drängten. Anneliese und ich blieben höfliche Gäste Frankreichs und dachten uns die jeweiligen Inhalte der Anrufe aus.

Katrin kam kurz nach Sonnenuntergang nach halb neun an und lud uns ein, ich setzte mich ans Steuer und war angespannt, nach langer Zeit und dann in Frankreich wieder Auto zu fahren. Hans Roth hatte uns empfohlen zu sehen, ob die nicht für den Schwerverkehr zugelassene Rheinbrücke bei Beinheim zu benutzen ist. Katrin hatte herausgefunden, dass sie frei ist, und wir setzten wieder über nach Deutschland, aber nicht, ohne auf der fragil erscheinenden Brücke fast anzuhalten, um ihre Schönheit zu fotografieren - die Bilder verwackelten trotzdem.

In Wintersdorf angekommen, fuhren wir in das Neubaugebiet unserer Gastgeber und fanden das Haus mit Katrins Hilfe, die auch schon meinte, dass die haushütenden Söhne in Ordnung seien. Die Eltern wussten, dass wir kommen, aber sie vertrauten nicht nur so sehr, dass sie ihre zwei jugendlichen Söhne allein Zuhause lassen, nein, sie erlauben auch uns Fremden, während ihrer Abwesenheit in ihr Haus zu kommen und dort zu übernachten! Weil dies für mich so erstaunlich aber auch beispielhaft für diese Reise ist, stelle ich unten den Zettel aus, der für uns am Kühlschrank hing. Wir fühlten uns willkommen! Die Jungs und einige Freunde trugen mich zum Hauseingang und dann die Treppe zum Schlafzimmer des Älteren, Simon, hinauf. Mit diesem unterhielt ich mich noch eine Weile und erfuhr, dass er gerade von einer mehrmonatigen Südamerikareise zurückgekehrt war. Ich finde das sehr mutig, denn ich habe schon von mehreren Leuten, die diesen Kontinent bereisten, gehört, dass es nicht nur beeindruckend, sondern auch gefährlich gewesen wäre - einige Gringo-Rucksacktouristen wurden überfallen. Ich selbst habe großen Respekt vor Situationen, in denen ich vor einer Gefahr - auch, wenn nur als letzte Option - nicht weglaufen kann!

Es war Mitternacht, als Katrin mich ins Bett brachte. Im Haus hörte ich noch den jüngeren Sohn und seine Gäste, aber ich war so müde, dass ich schnell einschlief.

Beim Abschied mit Christian Roth und seiner Tochter

020813122001_1093annelieseaufdembahnhofinruelzheim.jpgAnneliese auf dem Bahnhof in Rülzheim

"Behinderte! Bitte langsam"
Ich nahm's nicht persönlich und gab Gas!

020813145521_1098standorteaufkartensindoftweitraeumigekratzt.jpgEine hilfreiche Wanderkarte im Wald

020813163327_1110aufdergrenzemitannelieseundmeineneltern.jpgAuf der Grenze nach Frankreich  in Lauterbourg mit Anneliese und meinen Eltern

Viel Wasser im Rhein - vom Regen, der dazu führte, haben wir in den Tagen unterwegs nichts gesehen.

020813191405_1115annelieseaufparkplatz.jpgAnneliese auf einem Parkplatz an anderer Stelle rheinaufwärts

020813203447_1120sofortbestaetigtesvorurteilueberfranzosen.jpgSofort bestätigtes Vorurteil über Franzosen

Telefon und Sonnenuntergang am Ortsrand von Munchhausen

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